Sommergarten

Am Rendezvous von Griebnitzsee, Teltowkanal und Prinz-Friedrich-Leopold-Kanal liegt Kohlhasenbrück. Das Landstück verdankt seinen Namen dem Berliner Pferdehändler Hans Kohlhase, dessen Rechtsempfinden ihn zum Räuber machte. 1539 überfiel er zwischen Saarmund und Gütergotz (Güterfelde) einen kurfürstlichen Silbertransport, zog mit seinen Gesellen durch die Parforceheide und überquerte die Bäke. Unter der Holzbrücke soll er die Beute versteckt haben, was sicherlich nur ein Gerücht war. Nichtsdestotrotz gab er damit der Gegend jenen Namen, der 1598 erstmals im Amtsregister erschien. Mit Kleists Novelle "Michael Kohlhaas" fand der Rosshändler Eingang in die Weltliteratur. Die literarische Figur taugt bis zum heutigen Tage dazu, das Rechts- und Staatsverständnis von Juristen wie Bürgern zu polarisieren. Man muss "sich klarwerden, ob man Kleists Kohlhaas mit Angst um Kohlhaas oder Angst vor Kohlhaas liest".

An dem Bäkeübergang gab es seit Jahrhunderten einen Ausschank. Seit Friedrich Wilhelm I. führte darüber der Königsweg von Berlin nach Potsdam. 1858 erwarb der aus Westfalen stammende Heinrich Beyer, Gärtner der königlichen Verwaltung, diesen Flecken und ließ an der alten Krugstelle ein Wirtshaus errichten. Die "von Fluss und See umspannte Oase" hat nicht nur Theodor Fontane angezogen, sondern auch Berliner Künstler, die sommers hier wohnten. Nach dem Bau der Neuen Kreisstraße wurde "Beyers Hof" am heutigen Königsweg 310 zu einem Wohnhaus. Neffe Bernhard parzellierte das Areal und gründete die Villenkolonie, in der auch Heinrich George ein nobles Haus besaß.

"Kohlhasenbrück ist die Perle meines Kreises", sagte Landrat Ernst von Stubenrauch über jene "Oase", die nach dem Bau des Teltowkanals zu einem märkischen Mekka des Wassersports wurde. In seinen um 1935 verfassten Erinnerungen schrieb Bernhard Beyer: "Reizvoll, und für den heutigen Wassersport sehr günstig, ist die in prachtvoller Lage am Dreieck zwischen Teltowkanal, Leopold-Kanal und Griebnitzsee aufgebaute, gut besuchte Gaststätte Rudererheim mit Bootshäusern für 300 Boote." Begründer war der aus Altdöbern stammende Alfred Söhnel (1896-1990), der das Gelände von Beyer gekauft hatte. 1923 entstanden zwei Flachbauten, wovon das größere die Aufschrift "Restaurant Rudererheim" trug. Später kamen ein zweigeschossiges Fachwerkhaus und ein Wohngebäude auf dem "Söhnelhof" hinzu.

Hier eröffnete der rührige Geschäftsmann 1930 eine Werft, in der von ihm entwickelte Holzkanadier, später auch Sport-, Kajüt- und Motorboote gebaut wurden. Er kaufte und verkaufte gebrauchte Boote, führte Reparaturen aus, vertrieb Außen- und Innenbordmotore von Evinrude und Johnson, vermietete Bootsstände und firmierte unter "Söhnel-Sportboote". Geschickte Immobilienkäufe und florierender Gaststättenbetrieb machten ihn zum "König von Kohlhasenbrück".

Im "Landhaus Söhnel" kehrten Spaziergänger, Radfahrer und Wasserwanderer ein. Von der Dampferanlegestelle strömten Ausflügler ins Lokal, deren Zahl mittels einer Tafel vom Schiff vorab vermeldet wurde. In der Gaststätte und auf der Terrasse am Wasser feierte man oft und lange. Auf einer Weihnachts- und Neujahrskarte von 1952 heißt es dazu: "Im Rudererheim verbringt man gern die Tage/ Und gern auch manche angebroch’ne Nacht./ Schon Kohlhas hat, so meldet uns die Sage,/ Sein Wochenende oft dort zugebracht." Das ist zwar geschichtlich falsch, verrät aber etwas von der Atmosphäre. Solche Glückwunschkarten mit selbst verfassten Gedichten versandte Söhnel jedes Jahr. Die Fotos lieferte die heute 96-jährige Potsdamerin Ina Muster-Schatzmann, "eine Preußin durch und durch", die seit 1937 im ehemaligen "Beyers Hof" wohnt und ihre Aufnahmen mit Charme und Esprit erklärt.

Ende der sechziger Jahre wurde das "Landhaus Söhnel" verpachtet. Alfred Söhnel konzentrierte sich auf Bootswerft und Liegeplätze. In seinen dichterischen Versuchen geriet das Zeitgeschichtliche immer mehr in den Vordergrund: Er beklagte die Einführung des Führerscheins für kleinste Bootsmotoren und trauerte der schönen Böckmannbrücke nach, an deren Stelle "ein langes Band aus Stahl und Stein" trat. Nach Wiedereröffnung des Teltowkanals 1981 freute er sich, dass die beim Baggern gefundene englische Fünf-Zentner-Bombe vor seinem Haus problemlos geborgen wurde und die großen Schiffe weniger Unruhe brachten als er befürchtet hatte.

Seine letzte Karte stammt von 1989 – ein Rückblick auf die über sechzigjährige Geschichte von Landhaus und Bootswerft. Kurz vor seinem Tod am 10. April 1990 verabschiedete sich der Werftbesitzer, Gastwirt und Dichter im Jahr der Wiedervereinigung von seinen Gästen und Kunden: "In diesem Sinne, wie immer Ihr Alfred Söhnel aus Kohlhasenbrück." Das märkische Mekka für Wassersportler und Ausflügler träumt von einer Zukunft.

Nachtrag: Das "Landhaus Söhnel" hat wieder eine Zukunft. Zur Wiedereröffnung des Sommergartens "Paradise Garden" am Teltowkanal wird morgen ab 10 Uhr in die Kreisstraße 50 eingeladen. Auch die Gaststätte soll demnächst wieder ihren Betrieb aufnehmen.

MAZ, 11.5.2007,
JOSEF DRABEK
"Neues Leben auf Söhnel-Werft
Morgen öffnet der Sommergarten am Teltowkanal wieder seine Pforten"