Der Stahnsdorfer Südwestkirchhof: Kulturdenkmale, Plattform für Kreative, Ort der Ideen, dörfliche Musik, Platz für stilles Gedenken.
Ruhestätte von Theodor Fontane jr. und Elisabeth von Ardenne, Romanvorlage von Fontanes Effie Briest.

Redeauszug von Bischof Huber

".....„Ach Luise, lass ... das ist ein zu weites Feld.“ So heißen die letzten geflügelten Worte von Theodor Fontanes Roman „Effie Briest.“ Welcher Friedhof könnte schon von sich sagen, dass eine wirkliche Romanheldin auf ihm bestattet ist. Für den Südwestkirchhof Stahnsdort gilt das. Freilich überlebte Elisabeth von Ardenne die nach ihrem Schicksal gestaltete Romanfigur Fontanes bei weitem. Aber die Begräbnisstätte hat doch manche Ähnlichkeiten. Das Grab Effi Briests beschreibt Fontane in seinem 1895 veröffentlichten, erfolgreichsten Roman folgendermaßen: „Es war einen Monat später, und der September ging auf die Neige. Das Wetter war schön, aber das Laub im Parke zeigte schon viel Rot und Gelb, und seit den Äquinoktien, die drei Sturmtage gebracht hatten, lagen die Blätter überallhin ausgestreut. Auf dem Rondell hatte sich eine kleine Veränderung vollzogen, die Sonnenuhr war fort, und an der Stelle, wo sie gestanden hatte, lag seit gestern eine weiße Marmorplatte, darauf stand nichts als „Effi Briest“ und darunter ein Kreuz. Das war Effis letzte Bitte gewesen: „Ich möchte auf meinem Stein meinen alten Namen wieder haben; ich habe dem andern keine Ehre gemacht.“ Und es war ihr versprochen worden.“ „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“ Das ist die tragende Gewissheit, die uns dazu veranlasst, Menschen einen Ort für ihre letzte Ruhe einzuräumen – einen Ort, der bleibt. Welcher Name wird dort stehen? Diese Frage bleibt wichtig – auch in einer Zeit, in der das Leben mancher Menschen zwischen anonymer Geburt und anonymer Beerdigung auszuspannen scheint. Wir haben einen Namen, und wir brauchen ihn, auch in der letzten Stunde. Effi wollte auf dem Stein ihren alten Namen wieder haben; und es war ihr versprochen worden. Als Fontane den Begräbnisort der tragisch geendeten Effi Briest beschrieb, gab es den Südwestkirchhof Stahnsdorf noch nicht. Und Elisabeth von Ardenne, deren Ehedrama den Stoff zu Fontanes Roman geliefert hatte, war zu diesem Zeitpunkt schon seit acht Jahren geschieden und widmete sich der Krankenpflege. Die Veröffentlichung ihres literarischen Todes überlebte sie mehr als ein halbes Jahrhundert. Sie starb 1952, nahezu hundertjährig, in Lindau am Bodensee. Aber ihr Grab findet sich hier, auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf. Wenn der gerade in die Kinos gelangte Film mit Julia Jentsch Effi Briest wieder lebendig vor Augen stellt, so geschieht das mit der Botschaft: „In einer Welt voller Zwänge entschied sie sich für die Freiheit.“ Auch für diese Spannung zwischen Zwängen und Freiheit ist der Südwestfriedhof Stahnsdorf ein außerordentlich sprechender Ort. Denn der Jahrhundertschritt von 1909 bis 2009 umfasst so viele Umbrüche, so viel Konflikte zwischen Zwang und Freiheit, dass man voller Erstaunen fragt, wie all das in einem Jahrhundert Platz finden soll. Errichtet im Kaiserreich, noch vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, wird doch auch dieser Friedhof hineingezogen in die Friedlosigkeit des 20. Jahrhunderts – bis hin zu den Umbettungen derjenigen Leichname, die den gigantischen Hauptstadtplänen von Hitlers und Speers Größenwahn weichen mussten. Das Waldidyll von Stahnsdorf hatte sehr wohl Anteil an dem Leiden, das die kriegerische Gewalt, die von unserem Land ausging, dann auch in unser Land zurückbrachte. Der Ort, der auf diese Weise vom Leid des Krieges erschüttert wurde, fand sich aber auch vor der Aufgabe, ein Ort der Versöhnung zu werden. Der englische und der italienische Soldatenfriedhof zeigen das auf eindrucksvolle Weise. Und auch von der Spaltung unseres Landes war der Stahnsdorfer Friedhof unmittelbar betroffen. Am deutlichsten spüren wir das bis zum heutigen Tag daran, dass die mit kirchlichen Mitteln erbaute Friedhofsbahn von Wannsee nach Stahnsdorf nach dem Bau der Mauer 1961 jäh ihren Betrieb einstellen musste; bedauerlicherweise konnte er bis zum heutigen Tag nicht wieder aufgenommen werden. Deutlich trägt dieser Ort die Spuren unserer Geschichte: ein Geschichtsdenkmal von eigener und besonderer Art...."

Auszug aus der Rede von Bischof Huber anläßlich des 100jährigen Jubiläums
Bischof Dr. Wolfgang Huber, Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland
Predigt im Festgottesdienst zum hundertjährigen Bestehen des Stahnsdorfer Friedhofs am 28. März 2009 in der Stabholzkirche