Frauen in Not
Hilfe für Frauen in Not
Seit 1992 gibt es das Frauenhaus in Ludwigsfelde
„In die Situation zu kommen, mich einmal hilflos an das Frauenhaus zu wenden, hatte ich nie für möglich gehalten“ stellte Siegrid, eine ehemalige Bewohnerin des Ludwigsfelder Frauenhauses bewegt fest. So wie ihr geht es vielen Frauen, die im Frauenhaus Zuflucht und Schutz suchen. Jährlich sind es etwa 30, die mit ihren Kindern kommen und einen Neuanfang für ein selbstbestimmtes Leben suchen.
Partnerschaft und Familie, das war für sie nicht Liebe, Geborgenheit und Fürsorge, sondern eine Hölle, aus der es nur einen Ausweg gab – Flucht.
Nach Einschätzung von Experten ist die Gewalt, die sich innerhalb von Beziehungen im häuslichen Umfeld ereignet, die am häufigsten auftretende Form von Gewalt überhaupt. Eine Studie des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend, bei der im Jahre 2003 insgesamt 10.000 Frauen in ganz Deutschland befragt wurden, hat ergeben, dass mindestens jede vierte Frau im Alter von 16 bis 85 Jahren in ihrer Partnerschaft körperliche oder – zum Teil zusätzlich – sexuelle Übergriffe erlebt habt.
Sowohl wissenschaftliche Untersuchungen als auch die täglichen Erfahrungen im Frauenhäusern des Ludwigsfelder Frauenstammtisch e. V. belegen, dass die Gewalt von den Frauen oft über Jahre geduldet wurde.
Bei Jana – einer anderen Bewohnerin - waren es vier Jahre, während derer sie Scham- und Schuldgefühle davon abhielten, etwas dagegen zu unternehmen. Sie fühlte sich unfähig, der Brutalität ein Ende zu setzen, sie war körperlich und seelisch zerstört.
Gewalt gegen Frauen – ein Thema, dem sich die Gesellschaft nur ungern stellt, über das man nicht gern spricht. Dass das Thema öffentlich wurde, ist ein wichtiges Ergebnis der Frauenbewegung in den letzten 30 Jahren. Ihr ist das Netz von Frauenhäusern zu verdanken, das auch in den neuen Bundesländern nach der Wende schnell gewachsen ist.
In Ludwigsfelde war es genau der 8. März 1992, an dem das Frauenhaus eröffnet wurde.
Was bietet das Frauenhaus, was ist sein Auftrag? Vor allem bietet es Schutz vor Gewalt für 10 Personen in einer freundlichen Atmosphäre. Frauen und Kinder leben wie in einer Wohngemeinschaft zusammen, versorgen sich selbst und haben Gelegenheit, sich selbst zu finden. Eine Bewohnerin drückte das so aus:
„Im Frauenhaus, allein im Zimmer, wurden mir die vergangenen Monate so langsam klar. Was habe ich alles über mich ergehen lassen. Die körperlichen aber auch die seelischen Verletzungen waren tief, ich war verzweifelt und fühlte mich allein.
Im Frauenhaus fand ich andere Frauen, deren Erlebnisse ähnlich waren. Mit Hilfe der Mitarbeiterinnen überlegten wir, wie es jetzt weiter gehen kann. Viele Gespräche im Haus waren nötig, damit mein Selbstbewusstsein wieder mehr aufgebaut wurde. Viele schlaflose Nächte habe ich durchlitten.“
Auch für die 3 Mitarbeiterinnen und eine ehrenamtliche Frau vom Trägerverein sind die Nächte manchmal kurz. Eine Woche im Monat haben sie Bereitschaft, um den Notruf abzusichern. Da liegt das Handy nachts am Bett, da heißt es bereit zu sein für eine Neuaufnahme.
Und jede neue Frau ist wieder ein neues Schicksal. Schafft sie es, trotz finanzieller und anderer Schwierigkeiten eine neue Lebensperspektive zu finden oder entscheidet sie sich zur Rückkehr? Für alle heißt der letzte Satz beim Abschied: „Du kannst immer wieder kommen.“ Auch nach dem Frauenhausaufenthalt stehen die Mitarbeiterinnen für Beratung und Begleitung zu Verfügung. Hilfe zur Selbsthilfe ist das wichtigste Prinzip bei der Frauenhausarbeit. Seit Jahren hat auch die Selbsthilfegruppe von ehemaligen Bewohnerinnen sich dieses Mottos angenommen.
Nach 13 Jahren kontinuierlicher Arbeit ist das Frauenhaus ein fester Bestandteil der sozialen Infrastruktur nicht nur der Stadt Ludwigsfelde, sondern auch des Landkreises Teltow-Fläming. Es hat sich zum Zentrum der Anti-Gewalt-Arbeit entwickelt, bietet vielseitige Beratungen auch für Frauen an, die nicht im Frauenhaus leben. So hat der Ludwigsfelder Frauenstammtisch e. V. geplant, ab März einmal im Monat in jeder der vier Kommunen im Umland Beratungen für Frauen anzubieten. Keine leichte Aufgabe, denn wie sollen die betroffenen Frauen erreicht werden? Es wird wohl keine die Tür zu einem Raum aufmachen, an der steht: „Hier werden geschlagene und misshandelte Frauen beraten“. Ruft sie uns jedoch an, ist eine Mitarbeiterin zur vereinbarten Zeit vor Ort. Die Nummer 03378-512939 kann gern der bedrängten Freundin oder verzweifelten Nachbarin schon jetzt weitergesagt werden.
Frauenhaus und das liebe Geld
Wie jedes soziale Projekt kann auch das Ludwigsfelder Frauenhaus nicht ohne Geld existieren. In den Anfangsjahren war es gar nicht so schwierig, sich auf finanziell einigermaßen sichere Beine zu stellen: Es gab Anschubgelder vom Bund, Personalkosten vom Land, Zuschüsse von Kreis und Standortkommune. Zwar war die Finanzierung immer von Jahr zu Jahr ungewiss, aber nicht akut gefährdet. Seitdem das Land seine Mittel drastisch gekürzt hat, der Landkreis Teltow-Fläming nur noch die Hälfte der bisherigen Gelder bewilligt und Ludwigsfelde mit einem Haushaltssicherungskonzept arbeitet, spürt auch das Ludwigsfelder Frauenhaus die Rotstiftpolitik. Statt 1 ½ Stellen wird nur noch eine feste Stelle gefördert. Ob wie bisher noch 2 ABM-Stellen bewilligt werden, steht in den Sternen.
Der Ludwigsfelder Frauenstammtisch e. V. versucht, seine Frauenhaus- und Beratungskonzeption dennoch zu verwirklichen. Er experimentiert mit geringfügiger Beschäftigung für Beraterinnen, mit Hilfe im hauswirtschaftlichen Bereich auf der Basis von Kräften, die nur eine Mehraufwandsentschädigung von 1,30 Euro pro Stunde bekommen. Es werden Spenden akquiriert und Benefizveranstaltungen wie der Ludwigsfelder Familienweihnachtsmarkt organisiert. Frauenhausarbeit ist jedoch ein sehr diffiziles Feld der Sozialarbeit, das Professionalität erfordert. Fachlich gute Arbeit brauch gut bezahlte Fachkräfte.
Mit der fachlich anerkannten Arbeit wurde in den vergangenen Jahren erreicht, dass die Kommunalpolitiker das Frauenhaus unterstützen. Die Verantwortlichen in der Stadt Ludwigsfelde sehen die Unterstützung des Frauenhauses als ihre Pflicht an, obwohl sie ihre Zuwendungen als „freiwillige Leistung“ abtun könnten. Sie stellen trotz knapper Kasse auch 2005 Geld bereit und tragen den größten Teil der Kosten für die Bewirtschaftung des Hauses.
Seit 2004 beteiligen sich auch die Kommunen Blankenfelde-Mahlow, Großbeeren, Rangsdorf und Zossen an der Finanzierung des Frauenhauses. Damit wird das Schicksal einiger Frauenhäuser im Land Brandenburg wie Pritzwalk, Prenzlau oder Luckenwalde u. a. abgewendet, Frauenhäuser zu schließen bzw. in Beratungsstellen mit angeschlossener Notwohnung umzuwandeln.
Abstriche bei der Anti-Gewalt-Arbeit mussten aber auch in Ludwigsfelde gemacht werden: Die Anzahl der Beratungen ging zurück, für Öffentlichkeitsarbeit konnte nur begrenzte Zeit aufgewendet werden usw. Für die Mitarbeiterinnen bedeutet der Rückgang der Förderung einen Zuwachs an Engagement, der manchmal an Selbstausbeutung grenzt.
Für den Ludwigsfelder Frauenstammtisch gibt es nur ein Argument, weniger zu leisten: Wenn die Gewalt gegen Frauen spürbar weniger wird. Davon gibt es jedoch keine Anzeichen, das Frauenhaus wird gebraucht und genutzt. Manchmal lebten 12-13 Personen im Haus. „Dann müssen“ – wie eine Bewohnerin bemerkte – „am Morgen Marken für die Reihenfolge der Benutzung der einzigen Dusche ausgegeben werden.“
Übrigens leben die Frauen nicht umsonst im Frauenhaus. Pro Tag und Person müssen 4,27 Euro bezahlt werden. Für eine Frau mit zwei Kindern eine Menge Geld. Wenn sie eigenes Einkommen hat, reißt das ein ordentliches Loch in die meist bescheidene Budget. Für Sozialhilfe-Empfängerinnen bezahlte bis Dezember 2004 das Sozialamt diesen Obolus. Das Sozialamt half auch immer sofort mit einem Vorschuss, damit die Frau Geld für ihren Lebensunterhalt hatte. Seit Anfang des Jahres gelten die Bestimmungen von Hartz IV, das Geld für den Lebensunterhalt und für den Frauenhausaufenthalt soll vom Arbeitsamt kommen. Da aber gibt es große Probleme.
Ein Beispiel: Margitta lebt seit Ende Januar bei uns, den Antrag auf Arbeitslosengeld II hat sie rechtzeitig gestellt. Nur nach langem Suchen wurde er als unbearbeitet im Computer aufgespürt. Geld hat sie noch keines erhalten, das Frauenhaus weiß auch noch nicht, wer die Kosten übernimmt. Seit ihrem Einzug lebt Margitta von Lebensmitteln, die im Kühlschrank des Frauenhauses als Notversorgung eingelagert sind. Nur Dank der Möglichkeit, dass das Frauenhaus Lebensmittel von der Zossener Tafel für diese Fälle abholen kann, ist überhaupt eine Versorgung möglich.
Margitta ist nicht die einzige, die seit Wochen ohne einen Cent leben soll. Ein Vormittag auf dem Arbeitsamt genügt, um das Ausmaß der ungeklärten oder nicht bearbeiteten Fälle zu ahnen.
Bericht von Fr. Grabowski, Frauenhaus Ludwigsfelde