09.07.2019: Berliner Kurier

Am Wasser entlang
Das Wandern ist des Meyers Lust

Auch ein Wander-Profi wie Frank Meyer braucht ab
und zu eine Pause. Am Schlachtensee finden sich
dafür viele schöne Ecken.
Hand aufs Herz: Sind Sie in ihrer Jugend gern
gewandert? Es gibt wohl nur wenige, die diese Frage
mit einem klaren „Ja“ beantworten können. „Die
meisten laufen mit den Eltern durch die Berge, sind
aber nicht so begeistert“, sagt Frank Meyer. Er selbst
war da – zugegeben – keine Ausnahme. „Wir liefen im
Urlaub die typischen Touren, beispielsweise durch die
Alpen. Und als die Pubertät kam, hatte auch ich keine
Lust mehr.“
Doch die Zeiten ändern sich – keiner weiß das besser
als er: Der Berliner ist heute 50 Jahre alt, gehört zu
den größten Wander-Profis der Region, hat Berlin und
Brandenburg zu Fuß erkundet. Schon zehn Jahre ist
es her, dass er die Lust am Wandern neu entdeckte.
„Ich habe damals eine Sportart gesucht, die einen
guten Ausgleich zum Alltag bietet und nicht mit
großem Aufwand verbunden ist.“
Laufen: Der Kompromiss zwischen
eigenem Anspruch und
Leistungsfähigkeit
Damals war er beruflich sehr eingespannt, suchte ein
Projekt für die Freizeit. 2008 begann er deshalb, in
Etappen den Berliner Mauerweg abzuwandern. „Die
Strecke ist für Radfahrer gedacht, aber sie ist
historisch interessant. Und man wird von der
Langzeitmotivation angetrieben, irgendwann alle
Etappen zu vollenden.“ Meyer entdeckte die Freude
am Wandern, Jahr für Jahr kamen mehr Touren hinzu.
Mittlerweile sei es eine „ausgeprägte Passion“, sagt er
– für Laien leicht untertrieben: Rund 150 Touren
absolviert Meyer im Jahr.
Auf den Touren entdeckt Frank Meyer immer wieder schöne Ecken – er
dokumentiert
sie in seinem Blog.
Laufen gehörte schon immer zu seinem Leben: Über
längere Zeit joggte er, aber mit der eigenen Leistung
war er nie zufrieden. „Ich bin die Strecken zu schnell
angegangen, war zu schnell ausgepowert, fand nie
einen Kompromiss zwischen eigenem Anspruch und
Leistungsfähigkeit.“ Beim Wandern sei das aber
optimal gegeben: „Ich weiß genau, was ich leisten
kann, wie viele Reserven ich habe.“ Abgesehen davon
sei es schön, „weil man deutlich mehr von der
Umgebung mitbekommt. Man kann auch
stehenbleiben, sich mal um die eigene Achse drehen,
die Natur auf sich wirken lassen. Es wird nie
langweilig.“
Frank Meyer wandert nicht ohne
Wasser und Mückenspray
Für seine Touren hat Meyer ganz eigene Regeln – zum
Beispiel, wenn es um die Ausrüstung geht. „Es ist
wichtig, dass man viel zum Trinken mitnimmt, gerade
in den verlassenen Regionen in Brandenburg gibt es
oft keine Möglichkeit, einzukehren. Grundsätzlich esse
ich beim Wandern aber nichts.“ Ebenfalls immer
dabei: Mückenspray. „Auch wenn es nicht so schlimm
erscheint, gibt es Phasen, an denen die Mücken
plötzlich sehr aktiv werden.“ Seine Touren plant er mit
der bekannten Touren-App „Komoot“, wandert
deshalb immer mit dem Handy.
Die moderne Technik sieht er auch als Grund, dass
Wandern den vergangenen Jahren zum Trend wurde,
dass auch junge Leute inzwischen gern wieder Wald
und Heide erkunden. „Aber es gibt auch den ewigen
Konflikt zwischen moderneren und älteren Wanderern
– die, die noch das Handwerk der Navigation mit Karte
und Kompass gelernt haben, mögen die moderne
Technik nicht so. Aber ich habe mich damit noch nie
verlaufen.“ Umso wichtiger: Ein Akku zum Nachladen
des Handys.
Seine Wanderungen plant Meyer mit der Touren-App „Komoot“, Handy
und Tablet sind zum Navigieren immer dabei.
„Mir ist es einmal passiert, dass der Strom leer war. Ich
stand im Niemandsland, aber zum Glück auf einem
markierten Wanderweg.“ Gerade in ländlichen
Regionen könne so etwas gefährlich werden – denn
Wegmarkierungen werden oft von ehrenamtlichen
Helfern angebracht, verwittern im Laufe der Zeit.
Dabei sind es gerade diese abgeschiedenen Ecken,
die Meyer Freude bereiten. „Man kommt immer wieder
mal an einem schönen See vorbei, an einem Bachlauf
– und staunt, wenn man tolle Ecken entdeckt, die gar
nicht so im Bewusstsein verankert sind.“
Wandern Sie auf den Spuren von Frank
Meyer
Für ihn einer der schönsten Wanderwege sei der 66-
Seen-Weg. Erdacht wurde die Strecke von Wander-
Papst Manfred Reschke, Meyers Mentor. „Er ist
Westberliner, kam Ende der 70er-Jahre immer mit
Tagesvisum in die DDR und ließ sich von den
Grenzern Wander-Tipps geben. Jeden Tag erkundete
er ein neues Stück der Wanderwege – über die Jahre
baute er daraus einen Weg, rund 400 Kilometer lang.“
Übrigens: Jeder kann sich auf Meyers Spuren
bewegen, denn der Profi-Wanderer dokumentiert alle
Touren mit Texten und Fotos auf einem eigenen Blog.
„Ich habe auch vor, eine Wanderführerausbildung zu
machen, da bekommt man ein offizielles Zertifikat
vom Deutschen Wanderverband.“ Den großen Teil
seiner Strecken erwandert ihr dennoch allein. „Es ist
schön, mit anderen gemeinsam zu laufen, aber die
Wanderungen sind für mich auch ein sehr wichtiger
Ruhepol.“
+++
Florian Thalmann

Berliner Kurier
9.7.2019
https://www.berliner-kurier.de/berlin/kiez---stadt/am-wasser-entlang-das-wandern-ist-des-meyers-lust-32825418