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07.02.2012: "Offene mail"

Aktionsbündnis Berlin-Brandenburg (ABB)

Kleinmachnow, 7.2.2012


Ministerpräsident des Landes Brandenburg
Herr Matthias Platzeck, MdL
Staatskanzlei
14473 Potsdam

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

die im Rahmen des EU-Flughafenpakets am 1. Dezember 2011 als Entwurf
vorgelegte EU-Betriebsbeschränkungs-Verordnung für europäische
Verkehrsflughäfen wird von den im Aktionsbündnis für ein lebenswertes
Berlin-Brandenburg (ABB) zusammengeschlossenen vierzehn
Bürgerinitiativen vor allem auch im Blick auf den Betrieb des neuen
Hauptstadtflughafens Berlin Brandenburg „Willy Brandt“ in Schönefeld mit
aller Entschiedenheit abgelehnt.

Wir ersuchen Sie, sich im Rahmen Ihrer Verantwortung auf allen
Entscheidungsebenen für den Schutz der Menschen vor gesundheitsgefährdendem
und krank machendem Fluglärm einzusetzen und den
Verordnungsentwurf abzulehnen.

Die Entscheidung für den Betrieb eines großen Verkehrsflughafens am
Standort Schönefeld, den Ihr Vorgänger, Herr Dr. Manfred Stolpe, als
„menschenfeindlich“ eingestuft hat, liefert den Beleg, dass der Europäischen
Union keine Zuständigkeit zukommen kann und darf, Lockerungen von
Betriebsbeschränkungen an Flughäfen in der Gemeinschaft durchzusetzen.

Schönefeld ist einer der Flughäfen in Europa, an dem exemplarisch für viele
andere sichtbar ist, dass die geplante EU-Verordnung mit ihrer einseitigen
Ausrichtung an schlichten ökonomischen Interessen der Flughafenbetreiber
das ganzheitliche Prinzip der Nachhaltigkeit, das von der UN-Konferenz für
Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro als Auftrag an unsere
Generation beschlossen wurde, völlig ausblendet.

Schönefeld ist ein Verkehrsflughafen, den es unter dem Aspekt der
Nachhaltigkeit, der dauernden Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen,
an diesem Standort gar nicht geben dürfte:

Das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes
Brandenburg, das von 1990 bis 1998 von Ihnen als Minister geleitet wurde,
hat im Raumordnungsverfahren für den Verkehrsflughafen Berlin-
Brandenburg seine ablehnende Stellungnahme gegen den Standort
Schönefeld mit Schreiben vom 7. Oktober 1994 wie folgt verschärft:

„Aus Sicht des Immissionsschutzes ist wegen der großen Anzahl
lärmbeeinträchtigter Menschen, die insbesondere bei Nachtflugverkehr mit
hoher Wahrscheinlichkeit einem Herzinfarktrisiko ausgesetzt werden würden,
der Standort Schönefeld-Süd auszuschließen, um das grundgesetzlich
geschützte Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (GG Art. 2 (2))
gewährleisten zu können.“

Die Begründung, mit der dieses Veto im Raumordnungsverfahren
untermauert wurde, basierte auf den bereits damals bekannten
lärmmedizinisch-epidemiologischen Untersuchungen, die bis heute in
vielfältigster Weise überall in der Welt wissenschaftlich bestätigt worden sind:

„Die Morbiditäts- und Mortalitätsrate durch Herzinfarkt wird schon ab
Spitzenpegeln unter – mit Sicherheit aber ab – 55 dB (A) am Aufenthaltsort
eines schlafenden Menschen signifikant erhöht. Nur bei einem strikten
Nachtflugverbot wäre die o. g. Veto-Schlußfolgerung abmilderungsfähig. In
diesem Falle würde die bisherige Bewertung des Standortes Schönefeld-Süd
als „ungeeignet“ fortgelten.

Die vorgenannte Bewertung muß auf der Mantelskala (Prof. Bechmann)
zwingend der höchsten Schadenskategorie (starker Schadensbereich mit
Veto-Wirkung) zugeordnet werden.“

Angesichts von Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren, die schon
vor Ort im Rechtlichen wie im Tatsächlichen höchst problematische
Ergebnisse zeitigen, kann aus Sicht der betroffenen Bürgerinnen und Bürger
ein Veto- und Eingriffsrecht der Europäischen Kommission gegen die
Festsetzung lärmbedingter Betriebsbeschränkungen an Flughäfen in der
Bundesrepublik Deutschland nicht in Frage kommen. Wir dürfen nicht
zulassen, dass die Kommission in unsere grundgesetzlich geschützten
Rechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit eingreifen darf, ohne dass
sie dafür von uns Bürgern per Wahlentscheid zur Verantwortung gezogen
werden kann.

Für die zwingende Außerdienststellung von besonders lauten Flugzeugen, die
nach dem Entwurf noch völlig unzureichend geregelt ist, muss die
Kommission rasch andere Wege suchen. Lassen Sie sich davon nicht
hindern, die EU-Betriebsbeschränkungs-Verordnung kategorisch abzulehnen.

Mit vorzüglicher Hochachtung
gez.: Matthias Schubert