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07.02.2012: "Offene mail"

Aktionsbündnis Berlin-Brandenburg (ABB)

Kleinmachnow, 7.2.2012



Frau Bundeskanzlerin
Dr. Angela Merkel
Bundeskanzleramt
Willy-Brandt-Straße 1
10557 Berlin


Sehr verehrte Frau Bundeskanzlerin,

die im Rahmen des EU-Flughafenpakets am 1. Dezember 2011 als Entwurf
vorgelegte EU-Betriebsbeschränkungs-Verordnung für europäische
Verkehrsflughäfen wird von den im Aktionsbündnis für ein lebenswertes
Berlin-Brandenburg (ABB) zusammen geschlossenen vierzehn
Bürgerinitiativen mit Entschiedenheit abgelehnt. Am neuen
Hauptstadtflughafen in Berlin teilen wir das gleiche Schicksal wie die
Menschen im Einzugsbereich der Flughäfen Frankfurt, Halle/Leipzig,
Köln/Bonn, München, Düsseldorf und anderenorts in Deutschland.

Unser Anliegen ist, dass die Bundesregierung in Verantwortung für den
Schutz der Menschen vor gesundheitsgefährdendem und krank machendem
Fluglärm den EU-Verordnungsentwurf ablehnt. Darum bitten wir Sie.

Schönefeld ist ein Verkehrsflughafen, den es an diesem Standort gar nicht
geben dürfte. Wenn die EU-Kommission nun mit ihrer Verordnung dort auch
noch die völlig unzureichenden Lärmschutz-Vorkehrungen aushebeln will,
schiebt sie mit ihrer einseitigen Ausrichtung an schlichten ökonomischen
Interessen der Flughafenbetreiber das ganzheitliche Prinzip der
Nachhaltigkeit beiseite, das von der UN-Konferenz für Umwelt und
Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro als Auftrag an unsere Generation
beschlossen wurde.

Das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung des Landes
Brandenburg hat im Raumordnungsverfahren seine ablehnende
Stellungnahme gegen den Standort Schönefeld mit Schreiben vom
7. Oktober 1994 in aller Schärfe wie folgt niedergelegt:

„Aus Sicht des Immissionsschutzes ist wegen der großen Anzahl
lärmbeeinträchtigter Menschen, die insbesondere bei Nachtflugverkehr mit
hoher Wahrscheinlichkeit einem Herzinfarktrisiko ausgesetzt werden würden,
der Standort Schönefeld-Süd auszuschließen, um das grundgesetzlich
geschützte Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (GG Art. 2 (2))
gewährleisten zu können.“

Die Begründung, mit der dieses Veto im Raumordnungsverfahren
untermauert wurde, basierte auf den bereits damals bekannten
lärmmedizinisch-epidemiologischen Untersuchungen, die bis heute in
vielfältigster Weise überall in der Welt wissenschaftlich bestätigt worden sind:

„Die Morbiditäts- und Mortalitätsrate durch Herzinfarkt wird schon ab
Spitzenpegeln unter – mit Sicherheit aber ab – 55 dB (A) am Aufenthaltsort
eines schlafenden Menschen signifikant erhöht. Nur bei einem strikten
Nachtflugverbot wäre die o. g. Veto-Schlußfolgerung abmilderungsfähig. In
diesem Falle würde die bisherige Bewertung des Standortes Schönefeld-Süd
als „ungeeignet“ fortgelten.“

Schönefeld wurde von der Politik trotzdem als Standort des
Hauptstadtflughafens durchgesetzt. Die wahren Flugrouten mit neuen
Belastungen für viele hunderttausende Menschen wurden dabei einfach
verschwiegen. Dagegen haben Sie im vergangenen Jahr dankenswerterweise
klar Position bezogen. Die Lasten für die meisten Betroffenen bestehen aber
weiter.

Angesichts von Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren, die schon
vor Ort im Rechtlichen wie im Tatsächlichen höchst problematische
Ergebnisse zeitigen, kann aus Sicht der betroffenen Bürgerinnen und Bürger
ein zusätzliches Veto- und Eingriffsrecht der Europäischen Kommission
gegen die Festsetzung lärmbedingter Betriebsbeschränkungen an Flughäfen
in der Bundesrepublik Deutschland nicht in Frage kommen. Wir dürfen nicht
zulassen, dass die Kommission in unsere grundgesetzlich geschützten
Rechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit eingreift. Die Auseinandersetzung
hierüber im eigenen Land ist schon schwierig genug. So werden wir
noch in dieser Woche in Brandenburg die zweite Stufe der Volksgesetzgebung
für ein strenges Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr am
Hauptstadtflughafen „Willy Brandt“ einleiten.

Mit vorzüglicher Hochachtung
gez.: Matthias Schubert