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17.10.2011: Standortbestimmung

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

das Bundesverwaltungsgericht hat am vergangenen Donnerstag sein Urteil in Sachen Nachtflug verkündet. Das Ergebnis überraschte die Prozessbeobachter, die vor Ort in Leipzig waren, wenig. Gleichwohl traf uns nicht nur das Urteil selbst sondern insbesondere seine Kompromisslosigkeit wie ein Keulenschlag. Eine umfassende juristische Bewertung ist derzeit noch nicht möglich, weil wir die Urteilsgründe im Einzelnen noch nicht kennen. Wohl aber eine politische. Allein die Pressemitteilung des BVerwG spricht Bände. Zwei Passagen möchten wir vor dem Hintergrund der allzu gut bekannten Methoden des Zustandekommens des Planfeststellungs-beschlusses herausstellen. Eine Kommentierung unsererseits erübrigt sich, diese Passagen kommentieren sich und die Einstellung des Gerichts selbst:

»„Der Flugbetrieb wird jedoch nicht für bestimmte Flugrouten geregelt, sondern für einen Flughafen an einem bestimmten Standort mit einer bestimmten Siedlungsstruktur in seiner Umgebung. Die Betriebsregeln sollen grundsätzlich auch bei veränderten Flugrouten Bestand haben. Abflugrouten, die um bis zu 15 Grad nach Norden oder nach Süden abknicken, würden zwar teilweise andere Gebiete betreffen als parallele Abflugstrecken; diese Gebiete wären jedoch nicht oder jedenfalls nicht erheblich dichter besiedelt. Die Veränderungen der Lärmbetroffenheiten bleiben in einem Unsicherheitsbereich, der bei der Regelung des Flugbetriebs ohnehin mitgedacht werden muss. Dass um mehr als 15 Grad abknickende, zu größeren Betroffenheit führende, Abflugstrecken festgelegt werden, brauchte das MIL ausgehend von den Erklärungen der DFS nicht in Betracht zu ziehen. «
(Hervorhebung durch die Unterzeichner)

»Der Ausgleich, den das MIL zwischen den Verkehrsinteressen und den Belangen der Anwohner vorgenommen hat, hält sich im Rahmen des der Exekutive zustehenden Gestaltungsspielraumes.«

Die Betroffenen empfanden den Donnerstag als einen rabenschwarzen Tag, den schlimmsten Tag seit der Verkündung der Flugrouten am 06. September 2010. Vertreter der Landesregierungen, der Wirtschaft und der Flughafen-Betreiber indes jubelten und redeten von Wettbewerbsfähigkeit des Flughafens und Planungssicherheit. Zu Recht? Welche Bedeutung hat der vergangene Donnerstag für alle Beteiligten wirklich?

Für die betroffenen Menschen ist die Katastrophe ohne Zweifel offensichtlich. Ab Eröffnung des Flughafens wird die Nachtruhe der Betroffenen auf maximal fünf Stunden verkürzt, in den 3 Stunden Nachtrandzeiten dürfen die Flughafenbetreiber bis zu 103 Maschinen über die Schlaf- und Kinderzimmer hinweg jagen. Und nicht nur das: Für uns alle ist mit der Verkündung des Urteils eine große Hoffnung schlicht und ergreifend zerplatzt.

Unabhängig von einer möglicherweise juristisch folgerichtigen Argumentation trägt das Urteil sowie die überwiegenden Reaktionen aus Politik, sowie von den Flughafen- Betreibern nicht dazu bei, in der Sache selbst zu vermitteln, die betroffenen Regionen zu befrieden und den Menschen ein wenig Vertrauen in den Rechtsstaat zurück zu geben. Im Gegenteil: Die Kluft zwischen Flughafen, Politik auf der einen und Bürger/innen auf der anderen Seite wird noch größer werden. Damit wird auch die für die Eigentümer und Betreiber so notwendige Akzeptanz des Flughafens in der Bevölkerung weiterhin dramatisch absinken.

Die immer größer werdende mangelnde Akzeptanz des Flughafens in der Bevölkerung ist kein Nährboden, auf dem Investoren Schlange stehen. Sie wird deutlich durch unsere weiteren Proteste wie z.B. die von Stahnsdorf, Kleinmachnow und Teltow organisierte Bündnisdemo am 23. Oktober 2011 in Schönefeld oder den regelmäßigen Montagsdemos der Friedrichshagener Bürgerinitiative. Darüber hinaus schwebt die zweite Stufe der Volksinitiative und damit die landesplanerische Durchsetzung eines Nachtflugverbotes wie ein Damoklesschwert über potentiellen Investoren. Hinzu treten die möglichen weiteren juristischen Aktivitäten z.B. zum Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Von Planungssicherheit für Investoren und damit Wettbewerbsfähigkeit des Flughafens sind dessen Betreiber im Gegensatz zu ihren Bekundungen trotz des Leipziger Urteils noch weit entfernt, obwohl der nach wie vor tapfer kommunizierte Eröffnungstermin immer näher rückt.
Auch die Politiker strahlen im Fernsehen mehr, als das Urteil hergibt. Insbesondere die brandenburgische Landesregierung wird sich im stillen Kämmerlein sehr genau überlegt haben, dass sie bestenfalls einen Pyrrhussieg errungen hat. Das Urteil der obersten Bundesrichter hat dem erklärten politischen Willen der beiden Landesregierungen zwar Recht gegeben. Gleichwohl fängt für sie jetzt eine andere und äußerst unbequeme politische Zeitrechnung an. Es gilt wieder der Primat der Politik, die Richter haben den Ball zurück auf das Spielfeld der Politik gespielt. Die Zeit des Nichtstun, des Schielens auf das Bundesverwaltungsgericht und das Wegducken vor der Verantwortung ist nun vorbei.

Einen ersten Vorgeschmack gab es in Potsdam paradoxerweise parallel zum Leipziger Urteil ebenfalls am vergangenen Donnerstag: Der Landeswahlleiter teilte mit, dass 23.942 Unterschriften den gesetzlichen Anforderungen entsprächen. Trotz des Urteils muss sich der Landtag in Brandenburg erneut mit einem möglichen Nachtflugverbot beschäftigen. Da nicht davon auszugehen ist, dass der Landtag in unserem Sinne entscheiden wird, werden die Bürgerinitiativen und einige erste Gemeindevertretungen die zweite Stufe der Volksinitiative mit sehr guten Aussichten auf Erfolg einleiten.

Die Regierenden müssen jetzt entscheiden, ob sie sich auf diesem Urteil ausruhen und damit auf Dauer gegen einen großen Teil der brandenburgischen Bürger/innen stellen wollen. Alternativ können sie dem durch die Proteste und der erfolgreichen ersten Stufe der Volksinitiative mehr als deutlich gewordenen Wählerauftrag nachkommen und sich nunmehr erklären, was sie zum Schutz ihrer Bürger zu tun gedenken. Dabei sollten sie immer im Auge behalten, wie lange sie den einen oder anderen Weg durchhalten.
Fazit: Die Justiz hat deutlich gemacht, dass die gesundheitlichen Aspekte der Bevölkerung hinter den wirtschaftlichen Belangen zurückzustehen haben. Eine nahezu historische Chance auf Annäherung und Interessenausgleich wurde zugunsten weiterer Konfrontation vertan. Die Folge daraus ist: Gewonnen hat in Leipzig keiner. Verloren haben alle, die einen offen, die anderen hintergründig. Und genau darin steckt unsere Chance.

Wir, die Betroffenen, haben am vergangenen Donnerstag eine herbe Niederlage einstecken müssen. Unsere Betrachtung sollte allerdings sein: wir haben eine Schlacht verloren, nicht aber den Krieg. Wir dürfen uns dadurch nicht entmutigen lassen und wir dürfen jetzt den Kopf nicht in den Sand stecken. Im Gegenteil: Wir müssen wie bisher immer wieder die Öffentlichkeit suchen und ständig für unsere Anliegen werben. Wir müssen unaufhörlich alle uns zur Verfügung stehenden Kanäle nutzen, um unsere berechtigten Forderungen zu stellen. Jeder auf seinem Platz, jeder mit seinen Fähigkeiten, jeder mit seiner zur Verfügung stehenden Zeit. Und wir alle müssen durch unablässige Überzeugungsarbeit im Familien-, Freundes-, Bekannten- und Kollegenkreis dafür Sorge tragen, dass sich mehr und mehr Menschen unserer Bewegung anschließen. Bestärken Sie die Menschen in Ihrer Umgebung, sich uns anzuschließen, an unseren Demonstrationen mitzuwirken und sich an der zweiten Stufe der Volksinitiative zu beteiligen. Im Hinblick auf die Nachtruhe ist diese Volksinitiative unsere letzte Chance. Wenn erst mal unverrückbare Fakten geschaffen sind, ist es zu spät.

Eine afrikanische Lebensweisheit sagt:
»Alle Stärke wird nur durch Hindernisse erkannt, die sie überwältigen kann. «
Lassen Sie uns stärker sein als unsere Gegner! Kämpfen wir für unsere Ziele und ein lebens- und liebenswertes Lernen, Arbeiten und Wohnen in unserer Heimat!

Für den Sprecherrat
Wolfgang Brenneis Christine Dunkel Klaus Eichkorn

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BI Stahnsdorf gegen Fluglärm
14532 Stahnsdorf

16.10.2011

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