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07.11.2011: newsletter

Unter dem Motto „Die Fracht braucht die Nacht“ erschien am 02.11.2011 in mehreren deutschen Tageszeitungen, u.a. auch im Berliner Tagesspiegel, eine großformatige Anzeige der gleichnamigen Initiative der deutschen Logistikbranche, 2010 initiiert durch die Lufthansa Cargo AG.

Diese Anzeige ist ein Appell an Bund und Länder, die Logistikbranche zu unterstützen, damit kein Nachtflugverbot bzw. keine erhebliche Einschränkung des nächtlichen Flugverkehrs in Frankfurt durchgesetzt wird. Anders ausgedrückt wird hier dafür geworben, dass die gesetzgebenden Organe nicht auf menschliche Grundbedürfnisse, sondern auf wirtschaftliche Zahlen Rücksicht nehmen sollen.

So schreibt Herr Dr. Franz von der Lufthansa AG : „Fracht ist ein globales Geschäft. Alle Prozessabläufe sind im Weltrhythmus getaktet“, so dass wir ohne Nachtflüge nicht auskommen. Durch sechs Stunden Nachtruhe den Wirtschaftsstandort „von den globalen Warenströmen abzuschneiden“ ist für ihn ein Supergau.

Frau Ribar von Panalpina Welttransport bemerkt, dass Nachtflüge „selbstverständlich zu unserer Leistungspalette“ gehören. Würde nachts nicht mehr geflogen dürfen, „verlieren wir wichtige Kunden“.

Auch Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der deutschen Automobilindustrie fürchtet um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Autobauer, wenn denn die Zulieferer nicht mehr nachts die wichtigen Teile liefern, sondern eventuell erst am Tage. Das sei unflexibel und gefährde „die internationale Wettbewerbsfähigkeit [des] Automobilstandortes“ Deutschland.

Roger Crook, Deutsche Post DHL, kann wohl nicht mehr schlafen, wenn er an die Verschwendung wertvoller Ressourcen durch ein Nachtflugverbot denkt. Er hält uns sogar vergleichsweise vor Augen : „Wir schließen nachts ja auch nicht […] den Hamburger Hafen.“

Insgesamt lässt sich zusammen fassen : gewährt man den Flughafenanwohnern in Frankfurt sechs (!) Stunden Schlaf pro Nacht , ist das ein „harter Schlag für die gesamte Logistikbranche, für den Wirtschaftsstandort und die Exportnation Deutschland“ (Dr. Franz, Lufthansa AG).

Diese, sachlich sicherlich fundierten Argumente der wirtschaftlichen Erfolgszahlen und des industriellen Machtstrebens in einer zunehmend globaleren Welt sollen auch dafür werben, dass die Bundesregierung den Paragraphen 29b des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) novelliert, der bislang bei Entscheidungen über Nachtflüge im Einzelfall die Abwägung zwischen den Bedürfnissen von Anwohnern und denen der Wirtschaft vorsieht. Geht es nach der Logistikbranche soll eine feste gesetzliche Grundlage für den Nachtflug geschaffen werden.

Bei all diesen auf wirtschaftliche Bedürfnisse Rücksicht nehmenden Argumenten stellt sich nur eine Frage : wo bleibt da der Mensch ? Welche wirtschaftlichen Erfolgszahlen rechtfertigen eigentlich die Gesundheitsschädigung von Millionen von Menschen, die in der Nähe von deutschen Flughäfen wohnen und denen man den zur körperlichen Regeneration notwendigen Nachtschlaf raubt? Herr Dr. Franz, Frau Ribar, Herr Wissmann, Herr Crook und all Ihre Kollegen : geben Ihnen solche Erfolgszahlen eigentlich persönlich etwas ? Ist das für Sie das höchste Ziel überhaupt ? Können Sie dann nachts besser schlafen ? Die Millionen Menschen, die das dann nicht mehr können, erscheinen ja nicht in Ihren Erfolgsbilanzen. So what ?

Wann begreifen Sie endlich, dass nicht wirtschaftliche Fracht und schwarze Zahlen, sondern der Mensch das höchste Gut auf Erden ist ?

Können wir erst dann wieder ruhig schlafen, wenn dieses grundlegende Prinzip des menschlichen Daseins endlich auch in die Köpfe derer gedrungen ist, die nachts von Erfolgsbilanzen, steilen Kurven in Statistiken und Börsenkursen träumen – und sicherlich nicht in einer Einflugschneise wohnen ?

Der einzelne Bürger, der nachts ein paar notwendige Stunden schlafen möchte, kann aufgrund seiner finanziellen Situation keine großformatige Anzeige in mehreren deutschen Tageszeitungen drucken lassen – aber er kann zumindest öffentlich seinen Protest gegen die Lobby der ausschließlich in unpersönlichen Wachstumszahlen Denkenden kundtun und so Druck ausüben. Zum Beispiel bei der nächsten Großdemonstration in Berlin am 19.11.2011, 14.00 Uhr, Treffpunkt Potsdamer Platz und dann im gemeinsamen Marsch zum Kanzleramt. Oder beim Anfang des nächsten Jahres startenden Volksbegehren, bei dem in Brandenburg 80.000 Unterschriften für ein Nachtflugverbot von 22-6 Uhr benötigt werden – hier kann jeder Brandenburger Bürger den oben genannten Damen und Herren der Logistikbranche symbolisch gegenübertreten und die Stirn bieten, indem er sich persönlich ins Rathaus begibt und seine Unterschrift leistet.

Lieber Herr Dr. Franz und Co.: Wir kommen !

Ute Szenkler

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Team Unser Großbeeren