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17.05.2011: Ohrenzeugenbericht

Man kennt sich. Man ist abgenervt.

Ohrenzeugenbericht von einer Podiumsdiskussion in Ludwigsfelde am 17.5.2011:


Ratschläge und Fantasien der Brandenburger Staatskanzlei für Frösche

Lothar Buchholz | 18. Mai 2011

Bei der gestrigen Podiumsdiskussion in Ludwigsfelde, sollten die Auswirkungen von BBI - Flugrouten auf die Stadt diskutiert werden. Mehrere Vertreter der Stadt und ein Vertreter der Brandenburger Staatskanzlei waren neben etwa 120 Ludwigsfeldern und Bürgern aus dem Umland mit dabei. Der BBI-Gutachter Dieter Faulenbach da Costa erklärte den Anwesenden, in teils drastischen Worten, die schon jetzt geltenden Realitäten, wenn es um den BBI-Standort und Flugrouten geht. Ein Kommentar von Torsten Bornemann:
Von einer dritten Piste und Flugrouten BBI - Fantasien

Die Fantasie des Vertreters der Brandenburger Staatskanzlei namens Seidel wurde aber bislang nicht durch die andauernden Bürgerproteste und die laufende Diskussion beflügelt. Seidel:

Die dritte Start- und Landebahn wird von uns und den Gesellschaftern im Augenblick nicht diskutiert. Sie ist eine Chimäre [Trugbild, Einbildung]. ... Ich oute mich gerne hier. Ich kann mir eine dritte Start- und Landebahn aus räumlichen Gesichtspunkten ... am Flughafen Berlin-Schönefeld nur sehr sehr schwer vorstellen. ... Mir fehlt da viel Fantasie, mir eine dritte Start- und Landebahn hier vorzustellen. Wenn wir übrigens über sowas reden sollten, Herr Faulenbach da Costa, Sie können mich da gern korrigieren, Sie kennen das mit Ihrer Erfahrung besser, ... dann reden wir darüber in 20-30, 20-40 [Jahren]. (Hervorhebung und Erläuterung der Autor)

Im Süden Deutschlands ist man offenbar kreativer und der angesprochene BBI-Gutachter Faulenbach da Costa weiß es offenbar in der Tat besser. Wunschgemäß korrigierte er und nordete die Anwesendenden mal wieder ein. An Hand des vergleichbaren Flughafens München machte Faulenbach da Costa deutlich, dass dort gerade ein Planfeststellungsverfahren läuft, welches den Bau einer dritten Start- und Landebahn zum Ziel hat. Und weiter:

Zu dem Herr Seidel, was Sie gesagt haben. ... Und ich wundere mich immer darüber, wie auch das Bundesverwaltungsgericht mir gesagt hat, was ich damals gedacht habe. ... Mit allem Respekt, aber wir haben damals nicht einen Großflughafen ... untersucht. ... Aber untersucht wurde auf Raumveträglichkeit ein Flughafen für 30 Millionen Passagiere und zwei Pisten. Das war der Gegenstand der Raumordnung. Und nichts anderes! Und wir haben nur gesagt, selbst für diesen Fall, den 30 Millionen, ist der Standort Schönefeld nicht geeignet ... Lassen Sie mich auch das noch dazu sagen. Ich finde es eigentlich auch schlecht und ... schofelig gegenüber dem Flughafen. Der Flughafen hat keine Perspektive an diesem Standort. Und wenn Sie [Seidel] selbst sagen, Sie können sich das raumordnerisch nicht vorstellen, dass eine dritte Piste gebaut wird, dann endet die Entwicklung des Flughafens im Punkt 30 oder von mir aus 45 Millionen [Passagieren]. Dann ist da das Ende der Fahnenstange. Im Luftverkehr muss ich längerfristig denken: 30 - 40 oder 50 Jahre ... im Sinne des Flughafens und nicht nur im Sinne der Region. (Ergänzungen der Autor)

Einsichten eines MAZ-Moderators und Ratschläge von der Staatskanzlei für Frösche - Hand in Hand

An diesem Punkt machte der Moderator der Podiumsdiskussion Reck (MAZ) einen die Diskussion lenkenden und durchaus unangebrachten Schnitt. Er sagte:

Der Standort ist nun mal da. Und wir können das im Nachhinein leider nicht mehr ändern.

Herr Reck, für wen sprechen Sie denn da, wen meinen Sie denn mit »wir«? Und warum solle das nicht änderbar sein? Einige Diskussionsteilnehmer äusserten sich anschließend über diese Form der Moderation doch ziemlich irritiert. Stichworte dabei waren die Erfolge der Bürgerproteste beim Projekt Stuttgart-21 oder die Abschaltung von einer Reihe von Atomkraftwerken trotz unveränderter Faktenlage. Schließlich, hieß es im Anschluß, war der Standort Schönefeld eine rein politische Entscheidung, die auch politisch korrigierbar ist.

Die Berliner SPD, 1995 noch vehement gegen den Standort Schönefeld, tritt ja inzwischen mit ihrem Spitzenkandidaten Klaus Wowereit Pro-Großflughafen in Schönefeld ein. Was nach BBI-Gutachter Faulenbach da Costa zu großräumigen Absiedlungen beispielsweise von Zeuthen und Rangsdorf führen muss.

Wenn die dritte Piste kommt, kann ja noch einmal eine solche Podiumsdiskussion stattfinden, wo über Flugrouten vereinsgemeiert wird. Aber dann bitte wieder mit Herrn Reck. Und bitte auch mit Herrn Faulenbach da Costa, der die Leviten liest, während ein Podium mal wieder Ohrenschützer trägt. Deren Resistenz ist aber so oder so beeindruckend. Und wenn die Politik die Bürger nach Wahlen mal wieder nicht versteht oder Politiker über ihre Verluste entsetzt erscheinen, liegt das mit Sicherheit an diesen Formen der Auseinandersetzung mit sachfremden politischen Entscheidungen, während in der Luft Medien-Musik erklingt.

Das sei auch noch erwähnt: Der BBI-Gutachter Faulenbach da Costa hält eine dritte Piste bereits in 8-12 Jahren für möglich.

Das ändert natürlich derzeit nichts am kollektiven Schweigen der Bürgervertreter und dem Flugrouten-herumgedoktere am toten, sprich perspektivlosen, BBI-Patienten in Ludwigsfelde. Dafür hatte die Brandenburger Staatskanzlei in Form von Herrn Seidel noch einige Ratschläge beschwörend für die anwesenden Bürger in petto:

Vergessen Sie nicht Ihr Hauptanliegen. Und Ihr Hauptanliegen ist in der Tat die Anflugsituation [im Bereich der Stadt Ludwigsfelde]. Das Kampffeld, dass Sie haben und da wo sich Ihre Vertreter in der Fluglärmkommission einsetzen müssen, ... ist die Anflugfrage ... und das ist das Bahnmanagement. ... Konzentrieren Sie sich auf das, was für Sie wichtig ist. ... Die DFS zieht ihren Stiefel durch. ... (Erläuterung der Autor)

Natürlich weiß Herr Seidel, dass die Fluglärmkommission in seinem Ministerium beheimatet ist und lediglich Empfehlungen an die Deutsche Flugsicherung (DFS) aussprechen kann. Wie inzwischen durch den BBI-Gutachter ja bekannt ist: Die Deutsche Flugsicherung agiert so, als käme sie gleich nach dem lieben Gott. Was Herr Seidel wegen seines Stiefel-Vergleichs auch irgendwie zu verstehen scheint.

Wer als Frosch aber Ratschläge von Leuten annimmt, Das hier abgewandelte Sprichwort geht im Original so: Wer den Sumpf trocken legen will, darf nicht die Frösche fragen. die den Sumpf trocken legen wollen, benötigt bald woanders viel Sumpf. Oder konkret:

Wer als Bürger eigen-interessengeleitete Ratschläge von Politikern annimmt, welche die Diskussion um den Standort Schönefeld beenden wollen, wird zusätzliche An- und Abflugrouten für die dritte Piste in Schönefeld aufgetischt bekommen.

Denjenigen: Guten Appetit.
http://www.internet-rangsdorf.de/presse-news/bbi-flughafen-schoenefeld/news/476-ratschlaege-und-fantasien-der-brandenburger-staatskanzlei-fuer-froesche.html



Lothar Buchholz | 18. Mai 2011

Man kennt sich. Man ist abgenervt. Und steckt doch die Köpfe zusammen. Es war eine absurde Podiumsdiskussion zum BBI-Schönefeld - mit tiefen Einsichten. Und nur einer behielt routiniert den Durchblick. Ein Kommentar von Torsten Bornemann:
Verkehrte Welt

An der Veranstaltung nahm ein Vertreter der Brandenburger Staatskanzlei teil, welcher der harschen Kritik eines BBI-Gutachters an der Deutschen Flugsicherung (DFS) und der Flughafengesellschaft (FBS) vehement nickend beipflichtete. Und das, obwohl genau diese Brandenburger Landesregierung für den perspektivlosen Standort in Schönefeld mitverantwortlich ist und über ihre Beteiligung einen enormen Einfluß auf die DFS und die FBS nehmen könnte. Ebenfalls im Podium dabei waren politische und bürgernahe Vertreter, die (fast) einstimmig nur am toten Schönefelder Patienten Flughafen Berlin Brandenburg International in Form von Flugrouten herumdoktern mochten. Der Ludwigsfelder Bürgermeister Frank Gerhard nennt das "Verteilungskampf" mit anderen BBI-Fluglärm-Betroffenen.

Ein nicht nachfragender Moderator, der jede andere Diskussion - wie nach einem geeigneteren Flughafenstandort - im Keim unterband, gehörte auch zum Podium. Schließlich wüssten ja alle, dass Schönefeld der falsche Standort ist. Nur warum - verflixt und zugenäht - wird die falsche Standortwahl dann nicht korrigiert? Keine Frage. Keine Antwort. Es geht ja auch nur um Flugrouten, basta. Im Fall von Ludwigsfelde geht es hier insbesondere um die Anflugrouten, die über der Stadt eng zusammengezogen werden sollen und zu einer Belastung um 60 dB führen würden.
Der Dank galt den disziplinierten BBI-Betroffenen

Ungeduldig wurden Äußerungen von Bürgern abgewürgt, wenn nicht schnell genug eine Frage gestellt wurde. Man ist halt abgenervt. Stattdessen konnte sich der Vertreter der Landesregierung in Lobeshymnen über die eigene Arbeit verlieren und schwatzte ungeniert mit seinem Sitznachbarn, während eine engagierte Bürgerin ihm ihre Sorgen offenbarte. Und ganz en passant kriegten noch die Rangsdorfer Bürger, Zitat "... ahnungslose Altbetroffene ... meine Freunde aus Rangsdorf ...", was vom Ludwigsfelder Bürgermeister Gerhard hinten drauf. Denn diese waren nicht Mitglied der Schutzgemeinschaft (nicht korrekt) und haben jetzt die Sorge, ergänzte Gerhard süffisant, dass in einer Höhe von "1400 Metern eventuell die Flieger über Rangsdorf fliegen." (nicht korrekt).

Am Ende der Veranstaltung bedankte sich der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Igel dann noch bei den Teilnehmern für eine »äusserst disziplinierte Diskussion« und dafür, dass diese ohne Transparente erschienen sind. Fukushima lässt grüßen.
Die Landesregierung war mit dabei

Der Schauplatz dieses Spektakels war gestern eine Oberschule in Ludwigsfelde. Die Stadt hatte auch den BBI-Gutachter Dieter Faulenbach da Costa und Staatssekretär Rainer Brettschneider geladen, der sich aber durch einen für Flugverkehr zuständigen Herrn Seidel vertreten ließ. Das konkrete Aufgabengebiet und damit die Kompetenz von Seidel in Sachen Flugrouten am BBI ergründete der Moderator von der Märkischen Allgemeinen Zeitung namens Reck nicht. Die Hoffnung, wenigstens einen Abteilungsleiter von der Landesregierung mit im Podium zu haben, zerschlug sich unmittelbar nach dem Beginn der Veranstaltung.
Gutachter: Flughafengesellschaft argumentiert unehrlich

Gutachter Faulenbach da Costa erläuterte in deutlichen Worten die allgemeinen Folgen und die konkreten Auswirkungen auf Ludwigsfelde, die sich durch den Flughafenbau in Schönefeld ergeben. Faulenbach da Costa forderte ehrliche Argumente beim BBI ein und kritisierte laienhafte Simulationen von Seiten der Flughafengesellschaft. Er sagte:

Es ist nicht ehrlich argumentiert worden. Das ist eine Sauerei.

Anders ausgedrückt: Die Bürger und ihre Vertreter werden verschaukelt. Auch mit einem überhaupt nicht relevanten Lärmindex, wie der Gutachter ausführlich erläuterte. Aber es folgte kein Aufschrei auf dem - hohen - Podium. Keine Gegenrede vom Vertreter der Landesregierung oder die Verpflichtung diesen Vorwürfen nachzugehen. Keine Forderungen von seiten des Bürgermeisters oder anderen.
Über der Deutschen Flugsicherung steht nur Gott

Fast alle Mitglieder des Podiums richten ihre Hoffnungen auf die Arbeit der Fluglärmkommission und auf die nachfolgende Chance, die Deutsche Flugsicherung (DFS) beeinflussen zu können. Allerdings zog allen der Gutachter Faulenbach da Costa den Zahn. Wie die Deutsche Flugsicherung (DFS) an allen deutschen Flughäfen arbeitet, brachte er überspitzt so auf den Punkt:

Das kann ich machen, wie ich will. Da komme ich gleich nach dem lieben Gott. Das ist das Prinzip der DFS.

Und wenn das nicht ausreicht, kommen Sicherheitsaspekte ins Spiel, um sich durchzusetzen, so Faulenbach da Costa. Diese an Deutlichkeit kaum zu übertreffenden Worte, führten aber zu keinerlei offen ausgesprochenen Erkenntnisgewinn auf dem Podium. Auch nicht beim Vorsitzenden der Schutzgemeinschaft Ahlgrimm oder dem Vertreter der Stadt in der Fluglärmkommission Thielicke. Dabei ist doch klar, wer den Schwarzen Peter spätestens im nächsten Jahr kriegt.

Man kennt sich. Man ist abgenervt. Und steckt doch die Köpfe zusammen.
http://www.internet-rangsdorf.de/presse-news/bbi-flughafen-schoenefeld/news/475-ueber-der-deutschen-flugsicherung-steht-nur-gott-herumdoktern-am-toten-bbi-patienten.html